Päppeln und Breiernährung

1. Notwendigkeit einer Breiernährung

Chinchilla mit Kieferabszess
Chinchilla mit Kieferabszess

Grundsätzlich sollten Chinchillas ausschließlich bei echtem Bedarf mit Brei ernährt werden und das auch nur kurzfristig bzw. nicht über einen längeren Zeitraum hindurch. Frisst der Nager Brei, nutzen sich die lebenslang nachwachsenden Zähne nicht genügend ab und müssen dann vom Tierarzt auf die gesunde Zahnfleischlänge gekürzt werden. Bereits nach kurzer Zeit zeigen sich zu lange Zähne, wenn nicht genügend abrasives Futter zermahlen wird.  Chinchillazähne wachsen ca. 2mm pro Woche. Außerdem bildet sich durchs Breigeben die Kaumuskulatur zurück und die Tiere werden nicht selten kaufaul, sodass sie dann das selbstständige Fressen verweigern, obwohl sie wieder kauen und fressen könnten.

Das Motto lautet also: So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich!

 

Eine vorübergehende Breiernährung ist meistens bei Krankheiten nötig, die mit vermindertem Appetit einhergehen wie z.B. Herzerkrankungen oder bei Schmerzen generell. Hier gilt es, das Hauptproblem zu beheben, damit die Tiere wieder rasch anfangen können selbstständig zu fressen.

Ein häufiger Grund zum Päppeln sind Zahnerkrankungen, durch die die Nager entweder nicht fressen können oder wegen Schmerzen nicht fressen wollen. Auch hier muss das Chinchilla richtig behandelt werden, dann wird es zumindest teilweise wieder von allein fressen.

Außerdem müssen Chinchillas häufig kurzzeitig nach operativen Eingriffen (Zahnsanierung, Abszesse, Kastration, Knochenbrüche etc.) gepäppelt werden bis sie wieder zu Kräften kommen, sich erholt haben und weniger Schmerzen spüren.

 

Oftmals ist bei bestimmten Erkrankungen (Zahnerkrankungen, Gebärmutterentzündung, Knochenbrüche, Kastration etc.) neben einer gründlichen Untersuchung und passender Therapie auch die Gabe eines Schmerzmittels (Metacam, Novalgin) notwendig und sinnvoll, damit die Chinchillas wieder besser fressen können.

 

2. Energiebedarf

Ein Chinchilla benötigt in etwa 480 kJ / kg KM / Tag, um nicht an Gewicht zu verlieren (WOLF et al. 2001).

Laut Hersteller hat Critical Care einen Brennwert von 2.69 kcal/g (11.26 kJ/g).

Daraus folgt, dass ein 500g Tier einen Energiebedarf von 240 kJ / Tag hat, den es mit 21.32g Critical Care decken könnte.

Die Empfehlung zur Zubereitung von Critical Care lautet: Mischen Sie 1 Volumenteil Pulver ... mit 1.5 Volumenteilen warmen Wasser... (Albrecht - Produktinformation).

Ein Volumenteil Pulver (also ein Milliliter) entspricht nun aber nicht einem Gramm. Das Verhältnis Gewicht zu Volumen Beträgt in etwa (g:ml) 1:1.5.

Daraus folgt, dass die 21.32g Critical Care in etwa 31.98ml entsprechen.

Diese ergeben eine Breimenge bei einem Mischungsverhältnis von 1:1.5 von 79.95ml mit einem Brennwert von 240kJ.

 

Für Tiere mit einem anderen Gewicht müssen entsprechende Rechnungen aufgestellt werden.

 

Außerdem ist zu beachten, dass kranke und rekonvaleszente Tiere einen erhöhten Energiebedarf haben. Manche Autoren beziffern ihn mit einem Faktor von 2-2.5. Dies entspräche einem Breivolumen von über 160ml für ein 500g schweres Tier. Dass diese Menge für das Tier unproblematisch wäre, ist zu bezweifeln.

 

Es ist ein Trugschluß zu glauben, dass sich die Brennwerte von Critical Care und unseren Futterpellets signifikant unterscheiden. Wie verschiedene Futtermittelanalysen im Rahmen von Dissertationen zeigen, können Futterpellets sogar einen höheren Energiegehalt aufweisen (SCHRÖDER 2000, WENGER 1997).

Deshalb dürften sich die Unterschiede in der erforderlichen Breimenge bei einem äquivalenten Mischungsverhältnis Pellet-Pulver:Wasser im Bereich von +/- 5ml bewegen und sich nicht um einen Faktor der Größenordnung ´2´ unterscheiden.

 

3. Zeitpunkt, Häufigkeit und Futtermenge bei Breiernährung

dünn angemachter Fertigbrei
dünn angemachter Fertigbrei

Chinchillas nehmen Nahrung normalerweise hauptsächlich in den Dunkelstunden bzw. zwischen 19:00 Uhr und 7:00 Uhr auf, mit einem Spitzenwert zwischen 21:00-23:00 Uhr (SCHRÖDER 2000, WENGER 1997).

Außerhalb dieser Zeitspanne aufgenommene Nahrung verbleibt ca. doppelt so lange im Magen-Darmtrakt (BREM 1982), wodurch Fehlgärungen bzw. vermehrte Ansammlungen von Gasen entstehen können und die physiologische Darmflora gestört wird (EWRINGMANN & GLÖCKNER 2005).

Unter Beachtung dieser Aspekte sollte eine Brei-/Zwangsfütterung in dem Zeitraum, in den Abend-, Nacht- und frühen Morgenstunden, stattfinden, in dem die gesunden Tiere ebenfalls Nahrung zu sich nehmen würden. Dies empfehlen auch EWRINGMANN & GLÖCKNER.

 

Zur Fütterungsmenge werden in der neusten Literatur (EWRINGMANN & GLÖCKNER) folgende Angaben gemacht: mind. 50-80ml/kg/d, verteilt auf 6-8 Portionen. Dies entspricht ca. 6-13ml/kg/d pro Gabe.

 

Über das Magenvolumen bei Chinchillas gibt es wenige Angaben. BREM zitiert BICKEL mit 60cm³. Auch FEHR macht diese Angabe (diese Quelle noch nicht überprüft).

Der Wert erscheint hoch und es fehlt eine Relation zum Körpergewicht. Auch die Art der Messung bleibt unerwähnt (BREM). So könnte es sich zB um das maximale Volumen exenterierter Mägen handeln.

Schaut man sich Röntgenaufnahmen oder Fotos von Chinchillamägen an, könnte auch ein ähnliches Volumen wie beim Meerschweinchen in Frage kommen. Dieses liegt laut ROSENGARTEN bei 6,7 ± 1,27 ml/100 g KM.

Laut ROSENGARTEN sollten 20ml pro Applikation (Sonde) bei den Meerschweinchen nicht überschritten werden, da sonst die Gefahr einer Magenüberladung / -ruptur besteht.

Ferner besteht bei der Verabreichung größerer Volumina die Gefahr, dass durch den Druck des Magens auf das Zwerchfell Herz-Kreislauf- und Lungenfunktionen beeinträchtigt werden. Fraglich ob dies bei einem zwangsernährten Tier wünschenswert ist.

 

Pro Sitzung sollte eine Menge deutlich unter 20ml, z.B. 8ml +/- 2ml gegeben werden.

 

Stellt das Chinchillas die Futteraufnahme vollständig ein, muss man natürlich häufiger päppeln als wenn das Chinchilla nur zugefüttert werden muss und ansonsten noch andere Nahrung zu sich nimmt. Dabei ist es anfangs egal, welche Futtermittel es genau sind, Hauptsache das Tier frisst (daher bitte erstmal alle bekannten Futtermittel anbieten, ebenso die weniger gesunden!). Füttert man zu viel zu, nehmen die Tiere kaum oder gar kein festes Futter mehr selbstständig zu sich und man gerät in einen Teufelskreis, in dem manche Tiere sogar gar nicht mehr bereit sind, selbstständig zu kauen und vom Päppeln abgewöhnt werden müssen.

 

Leider halten sich immernoch einige Falschinformationen zum Thema Päppeln. Zum Beispiel dass Chinchillas einen Stopfmagen und -Darm hätten und sie deswegen die ganze Zeit fressen müssten, damit das aufgenommene Futter weiterbefördert werden kann und es nicht zu Fehlgärungen kommt. Das ist so jedoch nicht korrekt. Genaueres dazu siehe hier.

Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass kranke Tiere (und Menschen) weniger fressen oder das Fressen vorübergehend sogar ganz einstellen. Spätestens nach einem Tag sollten Chinchillas jedoch zumindest Kleinigkeiten zu sich nehmen, ansonsten muss man päppeln. Auch dass nachtaktive Tiere wie unsere Chins tagsüber kaum etwas fressen, ist ganz normal.

 

Verweigert ein Chinchillas das Fressen von Brei, hat man die Möglichkeit verschiedene Breisorten zu testen, Pellets aufzuweichen oder Brei selber zu mischen. Wichtig ist lediglich, dass der Brei genug Rohfaser enthält und man nicht pure Gemüse- oder Obstbreie nimmt. Siehe dazu unsere Päppelbreiliste

 

Übersicht:

  • Breimenge sollte deutlich unter 20ml pro Mahlzeit liegen
  • pro Mahlzeit am besten zwischen 6ml bis maximal 13ml Brei
  • Gesamtbreivolumen für den Tag verteilt auf 4-8 Mahlzeiten, je nachdem, ob das Tier noch selbstständig etwas frisst oder nicht
  • päppeln nur in der Zeit zwischen ca. 18/19 Uhr abends und 7/8 Uhr morgens
  • tagsüber lässt man das Chinchilla schlafen und sich erholen!

 

4. Konsistenz bzw. Anmischen von Brei

Der ideal angemachte Brei ist von seiner Konsistenz her dick, sodass die Patienten noch etwas kauen müssen und den Brei nicht einfach herunterschlucken können. Die Konsistenz von Brei sollte die von Nutella im Sommer haben. Zudem passt ein gut angemischter Brei nicht durch den Ausgang einer Standardspritze und man muss die Spitze mit einer Schere oder einem Messer abschneiden oder Spezialpäppelspritzen verwenden.

Nicht selten können Chins, v.a. welche mit Zahnproblemen und Schmerzen, jedoch den Brei richtig kauen und man muss den Brei anfangs dünner anmischen.

 

Wichtig ist, dass der Brei möglichst viel Rohfaser enthält. Das Anbieten reiner Obst- oder Gemüsebreie ist daher nicht geeignet. Diese können jedoch bei Bedarf für die Medizingabe verwendet werden und man kann sie zur besseren Akzeptanz mit faserigem Brei mischen.

 

Statt Wasser kann man nach nach Symptomen Tee nehmen z.B. Fenchel-Kümmel-Anis-Tee bei Verdauungsproblemen oder Salbei- oder Kamillentee bei Entzündungen im Mundraum.

 

5. Anbieten von Brei

Es gibt Chinchillas, die den Brei freiwillig aus einem Napf, einem Löffel oder einer (nadellosen) Spritze nehmen. Andere müssen aus dem Käfig gefangen und auf den Schoß genommen werden. Bei hartnäckigen Tieren kann es helfen, den Brei mit zuckerfreiem Apfelmus zu verfeinern und/oder sie in ein Handtuch zu wickeln, damit sie nicht zappeln und abhauen können.

6. Abgewöhnen von Brei

Leider hört man regelmäßig von Chinchillas, die sich nach einer längeren oder falsch ausgeführten Päppelphase bzw. Breiernährung weigern, wieder selbstständig zu fressen und festes Futter aufzunehmen. Die Ursachen dafür sind vielfältig:

  • zu lange ausgeführtes Breifüttern/ Päppeln
  • zu häufig ausgeführtes Breifüttern/ Päppeln
  • Schmerzen
  • Zahnprobleme
  • Rückbildung der Kaumuskulatur

Hier einige Tipps, um die betroffenen Tiere wieder an ganze, feste Futtermittel zu gewöhnen:

  • Falls das Chinchilla aufgrund von Schmerzen nicht fressen kann/ will, sollte man Meloxicam (ggf in Verbindung mit Novalgin) geben, parallel dazu die Häufigkeit des Zufütterns reduzieren (vgl. oben) und dann schauen, ob sich das Fressverhalten bessert
  • Hat man das Tier ganztägig gepäppelt, sollte man als Erstes aufhören, das Chinchilla tagsüber zu füttern, sondern nur noch zwischen 18-8 Uhr
  • Pro Mahlzeit werden nicht mehr als 10ml Brei gegeben in einem Abstand von mindestens 3-4h
  • Zeitgleich bietet man eine sehr große Palette an unterschiedlichsten Futtermitteln (diverse Mischungen aus getrockneten Kräutern, Blüten und Blättern, Zweige, Heu, Stroh, Frischfutter, Sämereien/ Kerne/ Nüsse, Pellets, frisches und getrocknetes Gemüse und Obst, Blütenpollen, Knusperstangen) an - das Ziel ist, dass das Tier von alleine frisst, was ist anfänglich sekundär. Wenn das Chinchilla später wieder selbstständig frisst, lässt man die ungesunden Dinge weg und reduziert das Kraftfutter entsprechend
  • Nach und nach weitet man die Abstände zwischen den einzelnen Breimahlzeiten aus auf 5h usw. Am Ende sollte das Tier nur noch zwei, schließlich nur noch eine und letztendlich gar keine Breimahlzeit mehr bekommen
  • Fütterte man den Brei mit einer Spritze, sollte man als Zwischenschritt anfangen, den Brei in einem Napf statt in der Spritze anzubieten

Durch dieses Vorgehen kann sich die verkümmerte Kaumuskulatur wieder nach und nach aufbauen.

 

Wichtig: Durch die Breifütterung können sich die rasch nachwachsenden Nagezähne nicht ausreichend abnutzen. Die zu langen Zähne können schnell die Ursache dafür werden, warum das Chinchilla nur Brei und nichts Festes fressen möchte bzw. kann! Bevor man also den Brei komplett weglässt, ist es ggf. sinnvoll, die Zähne beim Tierarzt kontrollieren und schleifen zu lassen, sonst KANN das Tier nichts fressen, selbst wenn es das wollte....

 

Literatur

Wolf, R et al (2003): The nutrition of the chinchilla as a companion animal. Data, influences and dependences.

Schröder, A (2000): Vergleichende Untersuchungen zur Futteraufnahme von Zwergkaninchen, Meerschweinchen und Chinchilla bei Angebot unterschiedlich konfektionierter Einzel- und Mischfuttermittel.

Wenger, AK (1997): Vergleichende Untersuchungen zur Aufnahme und Verdaulichkeit verschiedener rohfaserreicher Rationen und Futtermittel bei Zwergkaninchen, Meerschweinchen und Chinchilla.

Ewringmann, A et al (2005): Leitsymptome bei Meerschweinchen, Chinchilla und Degu.

Brem, M (1982): Untersuchungen über Erkrankungen des Magen-Darmkanals beim Chinchilla.

Fehr, M (2004): Krankheiten der Heimtiere.

Rosengarten, A (2004): Untersuchungen zur kurzfristigen Ernährung von Kaninchen und Meerschweinchen über eine orogastrale Sonde bei Variation der Zusammensetzung (Komponenten, Nährstoffgehalt und Energiedichte) des applizierten Futters.

(c) B. Puchala; A. Handermann