Futter & Wasser: Entzug, Verzicht - Mythen zu Hungern, Fasten, Futterverweigerung, Trinkwasserentzug, Stopfdarm und andere
"Vergleicht man die Wasseraufnahmen In den einzelnen Bilanzen, fällt in Bilanz A das enge Verhältnis Wasseraufnahme / TS-Aufnahme auf (2-1 : 1). Dieser
überraschende Befund deutet darauf hin, daß die Wasserversorgung bei auschließlicher Mischfuttergabe trotz freier Tränkeverfügbarkeit nicht optimal ist. Dies wird durch die hohen Osmolalitäten im
Harn der untersuchten Spezies im Vergleich mit den durchschnittlichen Harnwerten anderer Tierarten untermauert (Abb. 19).
Nach Saftfutterangebot steigt die Gesamtwasseraufnahme überproportional an. Als positiv ist der Anstieg der Harnmenge zu sehen, demzufolge auch ein deutliches
Absinken der Osmolalität des Harnes. Die bei allen Spezies verzeichneten Gewichtszunahmen sind ein weiterer positiver Effekt. Damit ist grundsätzlich in einer Saftfuttergabe in Ergängzung eines
Mischfutters eine Optimierung der Versorgung dieser Spezies zu sehen, die in die Empfehlung zur bedarfsgerechten Fütterung einzubeziehen sind. Andererseits kann die mit der Mischfutterverdrängung
einhergehende Änderung der Nährstoffversorgung insbesondere Rohprotein und Kalzium kritisch sein, da rechnerisch Engpässe oder auch Defizite speziell bei hohem Bedarf wie während der
Hochträchtigkeit und der Lektation möglich sind. Dies bedarf noch weiterer Abklärung. Dennoch ist damit der Begriff Alleinfutter kritisch zu sehen.
[...]
Dennoch ist für alle hier untersuchten Spezies nach vorliegenden Ergebnissen bei Saftfutter freies Tränkewasser zu empfehlen. Die Begründung liegt jedoch nicht
in der Wasserversorgung an sich.
Bei allen Tieren ist ein Rückqang der Futteraufnahme zu verzeichnen, wenn zum Saftfutter nicht auch Tränke verfügbar war. Die hierbei beobachten Gewichtsverluste
belegen das Risiko einer zu knappen Energieversorgung. Dies hängt natürlich auch von der Art des Mischfutters ab, deren Konzepte möglicherweise überdacht werden sollten, um deren Kompatibilität
mit Saftfutter zu optimieren."
Quelle: Schwabe, Katrin: Futter- und Wasseraufnahme von Heimtieren verschiedener Spezies (Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchilla, Hamster) bei unterschiedlicher Art des Wasserangebotes (Tränke vs. Saftfutter). - Hannover: Tierärztliche Hochschule, 1995.
Mehr zum Thema Wasser und Wasseraufnahme hier
"Für diese Untersuchung standen 2 Chinchilla-Gruppen in ihren normalen Haltungskäfigen zur Verfügung. Gruppe 1 (6 Tiere) erhielt normales Futter (Heu, Körnerfutter, Äpfel, Karotten, Salat), jedoch kein Trinkwasser. Gruppe 2 (3 Tiere) erhielt ausschließlich Trockenfutter (Heu und Körnerfutter) und ebenfalls kein Trinkwasser. Das Gewicht der Tiere wurde regelmäßig kontrolliert. In Abb.21 habe ich den Gewichtsverlauf aller 6 Chinchillas (Gruppe 1) während 100-tägigem Trinkwasserentzug dargestellt. Danach besteht kein Zweifel mehr, dass die Tiere bei Mischfutter, das auch wasserreiches pflanzliches Material enthält, unbegrenzt ohne Trinkwasser leben können. […] Nach 100 Tagen bot ich den Chinchillas wieder Trinkwasser ad lib. an, doch machten sie von diesem kaum Gebrauch. […] Die stichprobenartige Untersuchung des Urins ergab eine Gefrierpunktserniedrigung von -2.6 +/- 0,8°C (n=6). Danach lag für die Chinchillas keinerlei Belastung vor. Ganz anders verlief der Versuch mit der 2. Gruppe. Die Tiere […] hatten nach 14 Tagen 13 bzw. 16% des Körpergewichtes verloren. Um sie nicht zu gefährden, begann ich am 14. Tag mit der Rehydratation. Innerhalb von 15 Minuten hatte Nr.1 = 5% und Nr.2 = 3% des Gewichtsverlustes durch Trinkwasser wieder ersetzt. […] Das Weibchen hatte auch nach 2.5 Monaten das Ausgangsgewicht noch nicht wieder erreicht, während das Männchen nach einer Woche seinen gesamten Gewichtsverlust aufgeholt hatte. […] Das 3. Versuchstier […] erhielt 28 Tage lang nur Heu und Körnerfutter. Die Gewichtsabnahme […] erfolgte wesentlich langsamer als bei den beiden anderen Chinchillas […] Als das Versuchstier nach dieser Austrocknungsperiode wieder Trinkwasser erhielt, ersetzte es seinen gesamten Gewichtsverlust bereits innerhalb von 24 Stunden. […]“
Quellen:
"Die Niere des Chinchillas weist einige anatomische Besonderheiten auf (PRONG et al., 1969), die darauf schließen lassen, dass die Leistung der Urinkonzentration dem der Wüstentiere entspricht. Dennoch war es in Versuchen nicht möglich, den Tieren das Trinkwasser bei trockener Körnerfütterung komplett zu entziehen, ohne dabei den Verlust von Körpergewicht in Kauf nehmen zu müssen. Bei Wüstentieren war dieser Versuch gelungen (KULZER, 1972). WEISER et al. (1970), McMANUS (1972) und KOHL (1984) stellten fest, dass Chinchillas ihren Wasserbedarf bei Trockendiät mit bis zu 0,6 molarer Kochsalzlösung decken konnten. Außerdem erforschten sie, dass die Tiere 100 Tage ohne zusätzliche Wassergabe bei ausreichender Grünfutterversorgung überleben konnten.“
Quelle: Weiss, S: Verhaltensuntersuchungen an Chinchillas in ausgestalteten Kletterkäfigen - Disserattion 2005, Uni München
Ähnlich wie beim Menschen können kranke Tiere das Fressen vorübergehend ganz oder partiell einstellen - sie nehmen dann nur extrem geringe Futtermengen zu sich.
Daher bietet es sich an, Futterverweigerer nicht immer gleich zwangszuernähren, weil man den Patienten damit nur unnötig stresst und dann erst Recht eine Gewichtsreduzierung initiiert. Man muss
immer unterscheiden: Frisst das Tier, weil er aufgrund von Schmerzen, Fieber etc. nicht will oder will es eigentlich fressen, kann aber nicht? Beim Zweiteren sieht das Ganze natürlich wieder
anders aus.
Wird gesunden Chinchillas Futter und Wasser gänzlich entzogen, so behelfen sich die Tiere dadurch, dass sie anderes vorhandenes Material zu sich nehmen: Kot, Fell,
Holz, Einstreu, Kadaver… Auf diese Weise können sie Tage bis Wochen überleben, wird jedoch ein gewisser Zeitraum überschritten, können die Organschäden irreparabel sein und die Tiere überleben
eine Rückumstellung auf normales Futter nicht mehr.
Brem führte Hungerversuche bei Chinchillas durch:
„Im ersten Hauptversuch, bei dem die Chinchillas … 4 Tage lang hungerten, schien der Kot gegen Ende des Testes feuchter und weicher zu werden. Nach dem zweiten Versuch … konnte dies nicht bestätig werden. Die Tiere wurden aber zusehens nervöser, glanzlos im Haarkleid und zeigten die Verhaltensstörung „Fellbeißen“. Auch der letzte Hauptversuch brachte keine Änderung. Der bakteriologische Kotbefund war in allen Fällen negativ. […] Nach dem Hungern nahmen die Tiere die rohfaserarmen Kaninchen-Pellets willig an. Die Chinchilla schienen sich trotz der Futterumstellung wieder vom Versuch zu erholen. … Auch darauf brachten die bekteriologischen Kotuntersuchungen … nur negative Befunde. Die … wieder einsetzende Chinchilla-Pelletfütterung brachte auch keine Änderung. Das jetzt wieder applizierte Heu wurde gut angenommen. Die Tiere stürzten sich aber nicht darauf, sie verhielten sich vielmehr so, als wäre es ihnen ständig angeboten worden.“
Quelle: Brem, M: Untersuchungen über die Erkrankungen des Magen-Darm-Kanals beim Chinchilla, orientierende Voruntersuchungen, 1982
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